Delta im Quadrat Nr. 84

Zwischen Kunst, Erinnerung und Ehrenamt: Silvia Köhler über das kulturelle Erbe Mannheims Was bleibt von einem Künstler, einer Künstlerin, wenn sie nicht mehr sind? Im besten Fall: ein Werk – und Menschen, die sich dafür einsetzen, es zu bewahren. Silvia Köhler ist eine dieser Personen. Seit 16 Jahren engagiert sie sich im Vorstand der „Stiftung Künstlernachlässe Mannheim“ und sorgt gemeinsam mit einem kleinen Team Ehrenamtlicher dafür, dass das künstlerische Erbe der Stadt nicht in Vergessenheit gerät. Im Gespräch mit „Delta im Quadrat“ erzählt sie, wie Kunst Geschichte erzählen kann, warum ehrenamtliche Arbeit für das kulturelle Gedächtnis unerlässlich ist und welche Position sie persönlich besonders bewegt. Delta im Quadrat: Frau Köhler, Sie sind seit 16 Jahren im Vorstand der Stiftung Künstlernachlässe Mannheim aktiv. Was hat Sie damals motiviert, sich für das künstlerische Erbe der Stadt zu engagieren? Silvia Köhler: Ich kannte die Initiative von Dr. Jochen Kronjäger, der der eigentliche Gründer der Künstlernachlässe ist. Ich hatte selbst Kontakt zu einigen Kunstschaffenden oder deren Erben und bin durch eine Recherche für den Mannheimer Morgen zu Kunst in Mannheim nach 1945 auf sehr interessante Menschen und ihre Biografien gestoßen. Das war mein Ausgangspunkt. Als ich 2009 dazu kam, gab es schon einen festen Kern von anderen ehrenamtlich Engagierten, die bis heute mit sehr viel Elan dabei sind und das Projekt unterstützen. 14 EHRENAMT DiQ: Viele der gezeigten Arbeiten berühren auch gesellschaftliche Themen – vom Wiederaufbau Mannheims bis hin zu Umweltzerstörung oder Kriegserfahrungen. Welche Rolle spielt für Sie die Kunst im kollektiven Erinnern? SK: Das ist für mich ein zentraler Aspekt unserer Arbeit, denn anhand vieler Werke lassen sich stadt- und zeitgeschichtliche Entwicklungen eindrücklich nachvollziehen. Kein Künstler, keine Künstlerin arbeitet im luftleeren Raum – Werke sind immer auch Spiegel ihrer Zeit und ihres Umfelds. Kunst leistet einen wichtigen Beitrag zum kollektiven Gedächtnis. Sie macht historische Brüche sichtbar, erzählt persönliche Geschichten und schafft emotionale Zugänge zu gesellschaftlichen Themen, die uns bis heute betreffen. DiQ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Stiftung und wie kann man Ihre Arbeit unterstützen? SK: Wir möchten noch sichtbarer in der Stadtgesellschaft werden und uns weiter mit anderen aktiven Akteuren vernetzen. Wir suchen immer temporäre Räume, in denen wir Veranstaltungen oder Aktionen durchführen können, denn wir haben nur unser Depot im Rheinau-Hafen. Und ganz praktisch, ohne viel Aufwand, kann man Mitglied im Freundeskreis Künstlernachlässe e.V. werden, jenem Verein, der die Arbeit der gemeinnützigen Stiftung seit 2012 unterstützt. Außerdem kann man uns auch durch Mitarbeit unterstützen, denn wir benötigen immer Menschen, die sich bei uns engagieren – das reicht vom Erfassen der Arbeiten bis zu Diensten in Ausstellungen oder bei Veranstaltungen. DiQ: Die Ausstellung „20 Jahre Künstlernachlässe Mannheim“ zeigt, wie vielfältig das künstlerische Schaffen des 20. Jahrhunderts in Mannheim war. Gibt es da eine Position, die Sie persönlich besonders bewegt? SK: Ja, auf jeden Fall das Werk von Franz Schömbs (1909-1976). Das liegt zum einen an meinem persönlichen Kontakt zu seiner Witwe Anneliese Schömbs, mit der ich viele intensive Gespräche führen durfte. Zum anderen beeindruckt mich seine künstlerische Haltung zutiefst: Schömbs war mit seinen abstrakten Experimentalfilmen der 1950er-Jahre seiner Zeit weit voraus – ästhetisch wie konzeptionell. Er hat unbeirrt an seiner Vision gearbeitet und konsequent an der eigenen künstlerischen Sprache festgehalten, unabhängig von Anerkennung oder Markt, das bewegt mich bis heute. DiQ: Warum ist es aus Ihrer Sicht gerade heute so wichtig, sich ehrenamtlich für kulturelles Erbe einzusetzen und nicht nur für Gegenwartskunst? SK: Nun, die Museen haben keinen Platz und keine Manpower für solche Nachlässe. Und: ein lokaler oder regionaler Ansatz ist nach unserer Meinung der beste Weg, sich um Nachlässe zu kümmern. Diese Menschen sind keine abstrakten Figuren, sie haben an einem Ort gelebt, gearbeitet und Spuren hinterlassen. Ihr Werk, ihr Leben sind ein Stück Kultur-, Kunst-, Stadt- und Zeitgeschichte und tragen zur kulturellen Identität einer Stadt und einer Region bei. So auch in Mannheim! Ausstellung „20 Jahre Künstlernachlässe Mannheim“, Vernissage: 13.06., 18 Uhr, bis 26.07., Raum S4.17, S 4, 17-22, Mannheim, www.kuenstlernachlaesse-mannheim.de

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