Delta im Quadrat Nr. 76

5 Außerdem beziehen wir an ausgewählten Beispielen auch europäische Perspektiven sowie drei Positionen aus den USA ein, denn die Neue Sachlichkeit war kein bloß deutsches Phänomen. DiQ: Werden vor allem Gemälde zu sehen sein oder auch andere Gattungen? IH: In der ab November gezeigten großen Jubiläums-Show zeigen wir mit wenigen Ausnahmen nur Malerei, während die Grafik der Neuen Sachlichkeit, vor allem aus eigenem Bestand, in der Ausstellung „hart & direkt“ schon ab 20. September zu sehen sein wird – also ein sehr schönes Duett. DiQ: Wie sehr sind die Kunstwerke ein Spiegel der damaligen Zeit? Wieviel Alltag, Lebens- und Zeitgefühl steckt in ihnen und wie politisch sind sie? IH: Es gibt Werke, die bilden direkt Zeitgeschehen ab: Historische Ereignisse, Arbeitswelten, Mode, Körperideale, aber auch Mobilität, Industrie, neues Bauen spielen eine Rolle. Aber auch aus dem Menschenbild und dem Porträt lässt sich Zeitgefühl ablesen, überwiegend ist es ein ernstes, melancholisches, distanziertes Bild, das die angesagte kühle Sachlichkeit spiegelt. DiQ: Wie passt denn der nüchtern-kühle Titel „Neue Sachlichkeit“ zum generellen Bild der „Goldenen Zwanziger“, das so starke Bilder von Aufschwung, Lebensfreude und Avantgarde evoziert? Ist das nicht ein Widerspruch? IH: Es klingt wie Widerspruch, doch es trifft dennoch den Charakter der Zeit bestens. Die 1920er-Jahre waren nicht nur golden, sondern auch von großen Krisen geprägt. Eine Zeit voller Gegensätze und Kontraste und doch hat sich der Begriff Neue Sachlichkeit in allen Bereichen durchgesetzt, weil eben ein großes Bedürfnis nach Nüchternheit, Rationalität und Klarheit herrschte. DiQ: Dem Thema haben sich ja viele andere Institutionen in Mannheim angeschlossen. Was ist jenseits der Kunsthallen-Ausstellung im Jubiläumsjahr geboten? IH: Voller Begeisterung haben sich erfreulicherweise nicht weniger als 35 Institutionen unserem Partnernetzwerk angeschlossen. Geboten wird ein reichhaltiges Programm, dazu zählen zwei Opern- und zwei Schauspielpremieren des Nationaltheaters Mannheim, aber ebenso Ausstellungen in den Reiss-Engelhorn-Museen und im Marchivum sowie Konzerte, Lesungen, Stadtführungen, Stummfilmaufführungen, Vorträge, ein Symposium und vieles mehr. Ein gedrucktes Heft fasst das komplette Programm zusammen, das auch über eine eigene Webseite unter der Adresse https://1920er.art abzurufen ist. 22.11.2024-09.03.2025, Kunsthalle, Mannheim, www.kuma.art Bildausschnitt: George Grosz: Porträt des Schriftstellers Max Herrmann-Neiße, 1925 © Estate of George Grosz, Princeton, N.J./VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Kunsthalle Mannheim. Foto: Kunsthalle Mannheim/Cem Yücetas Bildausschnitt: Otto Dix: Die Irrsinnige, 1925 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Kunsthalle Mannheim. Foto: Kunsthalle Mannheim

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